stalking

STALKING - DIE UNTERSCHÄTZTE GEWALT.

 

Stalking kann jeden treffen. Unter den permanenten Nachstellungen und Belästigungen leiden Männer und Frauen gleichermaßen, wobei letztere überdurchschnittlich betroffen sind. Häufig werden ehemalige Lebens- oder Ehepartner zu Stalkern, in 75 % der Fälle kennen die Betroffenen die Personen. 

 

Als Stalking-Opfer fühlt man sich der Situation hilflos ausgeliefert und ist oftmals auf sich allein gestellt. Außerdem weiß man nicht, wie man gegen den Peiniger vorgehen soll. Das belastet und macht krank, vor allem psychisch mit Kopfschmerzen, Albträumen, Panikattacken und Depressionen bis hin zu sozialer Isolation 

 

Der Weiße Ring hat in Zusammenarbeit mit der Polizei und Fachexperten aus der Opferhilfe und der Psychologie eine NO STALK App entwickelt um nachhaltig zu helfen und gegen Stalking gezielt vorgehen zu können.

 

 

Stalking [ˈstɔːkɪŋ] beschreibt das willentliche und wiederholte (beharrliche) Verfolgen oder Belästigen einer Person, deren physische oder psychische Unversehrtheit dadurch unmittelbar, mittelbar oder langfristig bedroht und geschädigt werden kann. Stalking wird im deutschen Strafgesetzbuch als Straftatbestand der Nachstellung geahndet und ist in vielen Staaten Thema kriminologischer und psychologischer Untersuchungen

 

Eine erste wissenschaftliche Definition erfolgte durch Zona et al. (1993), welche Stalking als „obsessives und unnormal langes Muster von Bedrohung durch Belästigung gegen ein bestimmtes Individuum gerichtet“ bezeichnen.[2] Meloy und Gothard führten 1995 den Begriff „obsessives Verfolgen'“ ein, um den psychiatrischen Aspekt hervorzuheben.[3] Damit wurde zudem an die ursprüngliche Bedeutung in der Jagdsprache angeknüpft.

 

Pathe und Mullen (1997) sehen im Stalking eine „Verhaltenskonstellation, in der eine Person der anderen wiederholt unerwünschte Kommunikation oder Annäherung erzwingt“. Westrup (1998) nannte als Merkmale von Stalking: „Das Verhalten tritt mehrmals auf und zielt auf eine bestimmbare andere Person, es wird als unerwünscht und grenzverletzend wahrgenommen und kann Angst und Beklemmung auslösen.“

 

Um als Stalkingopfer kategorisiert zu werden, müssen mindestens zwei verschiedene, die Privatsphäre verletzende (intrusive) Verhaltensweisen berichtet werden, wobei diese durchgehend mindestens acht Wochen andauern und Angst auslösen mussten.

Die offizielle präventivpolizeiliche Definition in Deutschland lautet:

„Das beabsichtigte und wiederholte Verfolgen und Belästigen eines Menschen, so dass dessen Sicherheit bedroht und er in seiner Lebensgestaltung schwerwiegend beeinträchtigt wird.“

Cyberstalking oder Cyber-Mobbing bezeichnet die Belästigung und das beharrliche Nachstellen einer Person unter Anwendung und Zuhilfenahme von modernen technischen Hilfsmitteln wie Handy oder Internet.

 

Mögliche Stalking-Handlungen

Gemäß einer Handreichung zur Beratung des deutschen Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2005)[7] erstrecken sich mögliche Handlungsformen von Stalkern auf:

 
Standard Außenwirkung Straftaten
Ausfragen des Bekanntenkreises Verleumdungen, zum Beispiel gegenüber dem Arbeitgeber Beleidigungen und Üble Nachrede
Telefonanrufe, SMS, Nachrichten auf dem Anrufbeantworter, Sendungen von E-Mails zu allen Tages- und Nachtzeiten Bestellungen von Warensendungen im Namen des Opfers Nötigungen und Bedrohungen
„Liebesbezeugungen“ wie Liebesbriefe, Blumen, Geschenke Anwesenheit sowie das Verfolgen und Auflauern, zum Beispiel vor der Wohnung, dem Arbeitsplatz, dem Einkaufsort  

Das Spektrum der so genannten Stalking-Verhaltensweisen kann in dramatischen Fällen über körperliche Gewalt bis hin zu Tötung reichen. Es muss darauf hingewiesen werden, dass einzelne Handlungen dabei nicht notwendigerweise als kriminell eingestuft werden müssen, die Anzahl und die Dauer solcher Handlungen allerdings als Stalking betrachtet werden. Der Versuch beispielsweise, die Telefonnummer einer Person zu ermitteln, muss als einzelne Tat nicht notwendigerweise als Störung auffallen, in Kombination mit anderen Handlungen kann solch ein Verhalten aber als Stalking bezeichnet werden. Umgekehrt ist eine Person, die vereinzelt versucht eine Person zu erreichen, nicht notwendigerweise ein Stalker. Fälschlicherweise werden auch generelle Störenfriede, Nervensägen oder unangenehme Personen als Stalker bezeichnet, obwohl deren Handlungen nicht unbedingt eine Verfolgung darstellen. Des Weiteren kann bei einem Verbrechen wie Mord oder Überfall nicht jeder vorherige Versuch der Kontaktaufnahme als Anzeichen von Stalking bezeichnet werden.

Körperliches Attackieren oder die Ausübung von körperlicher Gewalt kommen, nach einer Analyse der Technischen Universität Darmstadt in Zusammenarbeit mit dem Weißen Ring, in jedem fünften Fall vor. Häufig sind es jedoch die eher „leichten“ Stalking-Handlungen, wie etwa das Telefonieren oder das Sich-Aufhalten in der Nähe des Opfers, die den überwiegenden Anteil aller Handlungen ausmachen. Je nach Charakter, Belastbarkeit und Empfindlichkeit des Opfers können aber bereits diese „leichteren“ Formen des Stalkings beim Opfer psychische und physische Reaktionen hervorrufen, die sich mit Dauer des Stalkings entsprechend steigern und individuell zu ernsthaften Erkrankungen führen und sich bis zur Arbeitsunfähigkeit entwickeln können.

Für obsessive Fans von Stars hat sich in Südkorea und der K-Pop-Szene der Begriff Sasaeng (사생) oder Sasaeng Fan etabliert. Der Begriff bedeutet soviel wie „Privatleben“.[8] Es ist ein Verweis darauf, dass diese Fans in das Privatleben der Idols eindringen, vergleichbar mit Stalkern. Zu dieser Verletzung der Privatsphäre zählen Vorfälle wie das Aufsuchen der Wohnungen der Stars sowie das Installieren von Überwachungskameras, Belästigung derer Familienmitglieder sowie das Aufsuchen privater Familienfeierlichkeiten, das Senden unangebrachter Geschenke und die Idols anzufallen.

Täter-Opfer-Beziehung

Wie ein Jäger sammelt ein Stalker Informationen über sein Opfer, um es stellen zu können. Dabei sind aber nicht nur die einzelnen, nachstellenden Handlungen des Täters von Bedeutung, sondern im Besonderen das psychologische Verhältnis zwischen Täter und Opfer. Das unterscheidet das Stalking von anderen, die Selbstbestimmung eines Menschen einschränkenden Handlungen.

Auch wenn jeder Mensch Opfer von Stalking werden kann und sich Opfer und Täter nicht notwendigerweise kennen müssen, sind nach bisherigen Erkenntnissen am häufigsten Personen betroffen, die eine Beziehung oder Ehe mit dem Täter beendet oder einen Beziehungswunsch des Täters zurückgewiesen haben.

Auslöser für die Stalking-Beziehung ist hierbei oft eine narzisstische KränkungNarzisstischer Missbrauch kann dabei sowohl vom Stalker als auch vom Gestalkten ausgehen und verursacht dabei zwei völlig unterschiedliche Stalking-Szenarien:

  • Ist der Stalker ein Narzisst, so fühlt er sich vermutlich durch eine Zurückweisung seiner Ansprüche an das Stalking-Opfer gekränkt und möchte nun durch Zermürbung das Opfer zur Erfüllung seiner ich-bezogenen Bedürfnisse zwingen.
  • Ist hingegen das Stalking-Opfer ein Narzisst, so hat es vermutlich versucht, dem späteren Stalker eine unzureichende Trennungserklärung oder Rückweisungsbegründung zu unterbreiten, die den (nicht-narzisstischen) Stalker immer wieder veranlasst, verzweifelt nach Erklärungen für die Trennung zu suchen. Der Abbruch einer Beziehung unter Verweigerung eines klärenden Abschlussprozesses, der zur gesunden Einsicht führen würde, warum die Beziehung gescheitert ist, ist dann nichts anderes als die Fortsetzung des narzisstischen Missbrauchs während der Beziehung. Der Stalker ist in diesem Fall perfiderweise Täter (im strafrechtlichen Sinne) und Opfer zugleich (im Sinne eines narzisstischen Missbrauchs durch seinen ehemaligen Partner oder potentiellen Geliebten, von dem er sich nicht befreien kann und nach Absicht des missbrauchenden Partners oder Geliebten auch über die Trennung hinaus nicht befreien soll).
  • Selbstverständlich können sowohl Täter als auch Opfer sich gegenseitig narzisstisch missbrauchen.

Aber auch Arbeitskollegen und Nachbarn befinden sich häufig unter den Opfern.

Des Weiteren können Angehörige von Berufsgruppen mit Kundenverkehr, Patienten oder Klienten Opfer eines Stalkers werden, wenn dieser sich selbst als Opfer einer Beratung, einer Behandlung, eines Rechtsstreites oder ähnlichem sieht. In einigen Fällen werden aber auch Patienten oder Klienten Stalking-Opfer eines Angehörigen der betreuenden Berufsgruppe; beispielsweise aus Liebeswahn. Das zugrunde liegende Abhängigkeits- und Vertrauensverhältnis wirkt sich hierbei besonders fatal aus. Des Weiteren können auch Konkurrenten in einer speziellen Sparte oder Rivalen, die eine Niederlage nicht verkraften, zu Stalkern werden. Auch wenn das Phänomen des Stalkings bei Prominenten zuerst aufgefallen ist, so scheinen diese nicht die Mehrheit der Opfer auszumachen.

In einigen Fällen ist dem Opfer der Täter aber nicht bekannt und gehört nicht zum näheren persönlichen, beruflichen oder wohnlichen Umfeld. In manchen Fällen spielt das Phänomen der Übertragung eine Rolle, wenn ein Täter für empfundene seelische oder körperliche Verletzungen ein Opfer stellvertretend büßen lässt, weil es bestimmte Merkmale aufweist, die für ihn im Bezug zum eigenen Schicksal stehen. Ein Teil der Täter weist erhebliche psychische Erkrankungen auf, wobei das Stalken selbst kein anerkanntes Krankheitsbild darstellt.

Über 90 % der Opfer von Stalking, die bei der Polizei oder anderen Stellen Hilfe suchen, sind weiblich und rund 85 % der Täter sind Männer. 91 % der weiblichen Opfer werden von Männern gestalkt und 56 % der männlichen von Frauen. In den übrigen Fällen handelt es sich um ein gleichgeschlechtliches Stalking. Nach einer Studie im Auftrag des Justizministeriums der Vereinigten Staaten wurden 8 % der amerikanischen Frauen und 2 % der Männer im Laufe ihres Lebens schon einmal von einem Stalker verfolgt.

Bei der Interpretation dieser Zahlen sind jedoch die Schwierigkeiten der empirischen Erfassung des Tatgeschehens zu berücksichtigen. Neben der fehlenden einheitlichen Definition des Stalking-Begriffes fällt es den Beteiligten an so genannten Beziehungstaten erfahrungsgemäß schwer, sich offen darüber zu äußern.

 

Psychologische Einteilung der Täter

Die australischen Wissenschaftler Mullen, Pathe und Purcell teilen die Stalker in sechs Gruppen ein, ausgehend von deren Motivation und Beziehungsverhältnis:

  Gruppe Motivation Beziehungsverhältnis
1 Zurückgewiesene Stalker Gefühl der Demütigung, Zurückweisung unter anderem meist Ex-Partner / Freunde
2 Beziehungssuchende Stalker Fehlwahrnehmungen der Beziehungsbereitschaft des Opfers, häufig Liebeswahn Persönliches und weiteres Umfeld des Opfers
3 Intellektuell retardierte Stalker Ungenügende Sozialkompetenz, überschreiten Grenzen Persönliches und weiteres Umfeld (Nachbarschaft)
4 Rachsüchtige Stalker sehen sich durch ihre gestörte Persönlichkeit fälschlicherweise selbst als Opfer oder bilden sich ein, Opfer der Personen zu sein, denen sie nachstellen; Hilfe, die sie bekommen, nutzen sie zur fortgesetzten Rache und Befriedigung aus. temporäres Umfeld (beispielsweise Arzt oder Rechtsanwalt als Opfer, jedermann im Umfeld des Opfers)
5 Erotomane, morbide, krankhafte Stalker Kontrolle/Dominanz – meist psychopathische Persönlichkeit Persönliches und weiteres Umfeld (Nachbarschaft)
6 Sadistische Stalker Gefühl der Befriedigung Persönliches und weiteres Umfeld

Gesundheitliche und soziale Folgen 

Ein Großteil der Opfer leidet unter vegetativen Erscheinungen, wie etwa Unruhe (Schreckhaftigkeit), KopfschmerzenAngstsymptomenSchlafstörungen und Magenbeschwerden und der daraus resultierenden geistigen und körperlichen Erschöpfung. Viele sind schnell gereizt und reagieren dann situationsbedingt unbegründet aggressiv. Ein nicht geringer Teil der Opfer leidet unter depressiven Verstimmungen, einige darunter unter Depressionen. Allerdings ist unsicher, inwieweit psychisch vorbelastete Personen zwischenmenschlich vollkommen normales Verhalten eventuell schon als Stalking empfinden.

Vor allem bei Opfern, denen aufgelauert wird oder die körperlich verfolgt werden, zeigen sich rasch tendenziell reaktive Verhaltensmuster, wie etwa Vermeidungsverhalten, Abkapselung (Vereinsamung) oder Kontrollverhalten. So, wie der Täter auf sein Opfer fixiert ist, ist durch die als lästig und als unberechenbare Bedrohung empfundene Situation auch das Opfer auf den Stalker fixiert.

Nach langer und intensiver Verfolgung kann in seltenen Fällen eine posttraumatische Belastungsstörung auftreten, vergleichbar mit einem Trauma bei Soldaten nach unmenschlichen Kriegserlebnissen, die diese psychisch nicht verarbeiten konnten.

 

Um den gesundheitlichen und sozialen Folgen des Stalkings gezielt entgegenwirken zu können, ist es empfehlenswert, sich frühzeitig helfen zu lassen.

 

Gesetzliche Situation seit März 2017

Mit dem neuen Gesetz zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen vom 1. März 2017[25] wurde der 1. Absatz des § 238 StGB (bei unveränderten Absätzen 2–5), so wie § 374 Abs 1 Nr 5 StPO und weitere Paragraphen im Zusammenhang des Gewaltschutzgesetzes, geändert. Das neu formulierte Grunddelikt nach § 238 Abs. 1 StGB ist seit 10. März 2017 jetzt nicht mehr als Erfolgsdelikt, sondern als Eignungsdelikt ausgestaltet. Das bedeutet, dass der Täter also von nun an nicht nur dann bestraft werden kann, wenn er durch unbefugtes Nachstellen in Form der beharrlichen Vornahme ausdrücklich angeführter Tatvarianten eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung verursacht hat, es reicht nunmehr aus, dass die Handlungen zu einer solchen Beeinträchtigung geeignet waren. Die parallele Änderung des § 374 Abs 1 Nr 5 bewirkt, dass der Tatbestand „Nachstellung“ (§ 238 Abs. 1 StGB) ohne eine vorherige Anrufung der Staatsanwaltschaft nicht mehr im Wege der Privatklage vom Verletzten verfolgt werden kann. Somit sollen die Opfer nicht mehr auf den Weg der Privatklage verwiesen werden können und mehr Straftaten zu einer Anzeige gebracht werden.

Opferentschädigungsgesetz

Nachstellung begründet nicht automatisch einen Anspruch auf Entschädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG). Gewaltlose, insbesondere psychische Einwirkungen auf das Opfer sind regelmäßig nicht als „tätliche Angriffe“ zu werten, die das OEG für einen Entschädigungsanspruch voraussetzt. Das Bundessozialgericht hat im April 2011 entschieden, dass eine Opferentschädigung grundsätzlich nur dann in Betracht kommt, wenn es im Rahmen der Nachstellungen zu einer Einwirkung direkt auf den Körper des Opfers gerichteten Gewalttat gekommen ist.

Präventive Maßnahmen

Nachstellungsopfer haben zunächst die Möglichkeit, die Polizei hinzuzuziehen. Diese kann den Störer der Wohnung verweisen sowie gegen ihn einen Platzverweis erteilen; ferner kann ein Kontaktverbot ausgesprochen werden (Polizei- und ordnungsrechtliche Generalklausel). Innerhalb von i. a. zehn Tagen sollte der Geschädigte beim örtlich zuständigen Amtsgericht Schutzanordnungen gegen den Stalker erwirken, die auf Grundlage des Gewaltschutzgesetzes (GewSchG) erlassen werden können und beispielsweise aus der Anordnung bestehen können, sich der Wohnung des Opfers nicht zu nähern. Ein Beispiel aus der obergerichtlichen Spruchpraxis dazu ist die Entscheidung des OLG Brandenburg vom 2. Oktober 2007. Nach dieser reicht es für eine Anordnung nach dem GewSchG bereits aus, wenn das Opfer über einen Zeitraum von etwa zehn Minuten am Verlassen der Wohnung gehindert wird.

Soweit auf Grundlage des Gewaltschutzgesetzes eine Unterlassungsverfügung gegen einen Stalker erlassen wird und dieser gegen die in der Verfügung festgelegten Verbote verstößt, stellt dieser Verstoß ein strafbares Verhalten nach § 4 Gewaltschutzgesetz dar. Streng genommen handelt es sich dabei dann nicht um die Strafbarkeit von Nachstellung an sich, sondern vielmehr um die Strafbarkeit wegen Missachtung einer gerichtlichen Anordnung. Schon in den 1970er Jahren gingen die Gerichte gegen Telefonterror vor.

Täter können in Deutschland unter Voraussetzung des § 112a StPO (Haftgrund Wiederholungsgefahr) in Untersuchungshaft genommen werden (sog. Deeskalationshaft). Dies gilt allerdings nur unter zwei Voraussetzungen: Erstens muss der dringende Verdacht bestehen, dass der Täter sein Opfer (beziehungsweise einen Angehörigen des Opfers oder eine andere dem Opfer nahestehende Person) zumindest in Lebensgefahr oder in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung gebracht hat. Zweitens müssen bestimmte Tatsachen die Gefahr begründen, dass der Täter vor einer rechtskräftigen Aburteilung weitere erhebliche Straftaten gleicher Art begehen oder die Straftat fortsetzen wird (§ 112a Abs. 1 Nr. 1 StPO, § 238 Abs. 2, 3 StGB).

Nach derzeitigem Erkenntnisstand der Polizeiarbeit scheint sich die sogenannte „Gefährderansprache“ gegenüber dem mutmaßlichen Täter zu bewähren. Nach Auswertung mehrerer Studien, unter anderen der Darmstädter Studie, hinterlässt eine staatliche Reaktion innerhalb der ersten 48 Stunden eine nachhaltige und zu 80 % beendende Wirkung beim Täter, da er mit seinem Handeln aus der Anonymität herausgeholt wird und ihm die rechtlichen und tatsächlichen Grenzen seines Handelns aufgezeigt und angedroht werden. Diese sind dem Täter, der sich in vielen Fällen selbst in der Opferrolle sieht, oft nicht oder nicht in diesem Ausmaß bekannt.

Es ist jedoch auch möglich, dass die Gefährderansprache die aktuelle Gefährdung für das Opfer noch steigert, da jetzt dem Stalker offenbar wird, dass das Opfer staatliche Stellen eingeschaltet hat. Es ist deshalb wichtig, den Stalker nach der Ansprache weiterhin zu beobachten oder durch Einbindung anderer Beratungsstellen zu begleiten. Die Gefährderansprache selbst bietet insbesondere dem Polizeibeamten, der eine Gefährdungseinschätzung vornehmen muss, die Möglichkeit, weitere Informationen über den Täter (Gemütszustand, Motivation) zu gewinnen und weiteres Vorgehen strukturiert zu gestalten. Insbesondere ist das Opfer über die Gefährderansprache zu informieren.